ZWISCHENFALL

Russischer Innenminister: Vergewaltigung in Untersuchungshaft ist eine Schande für die Polizei

Der Tod eines Tatverdächtigen, der in Untersuchungshaft mit einer Flasche vergewaltigt wurde, bewegt derzeit die russischen Gemüter. Für den Innenminister ist klar: Dieser Vorfall hat Schande über die russische Polizei gebracht. Derweil werden Rufe, die den Rücktritt der Top-Funktionäre fordern, immer lauter.

Gewalt innerhalb der russischen Polizei gehört neben Korruption zu den größten Problemen des Landes. (Foto: an honorable german/flickr)

Russische Aktivisten fordern nach dem schrecklichen Tod des 52-jährigen Sergej Nazarov, der in Kazan, in der überwiegend muslimischen Wolga-Region Tatarstan, verhaftet wurde, die gesamte Führungsriege des Innenministeriums auf, ihren Dienst zu quittieren.

Doch diese scheint selbst einigermaßen schockiert, über das, was sich da am vergangenen Samstag in einem der Gefängnisse abgespielt haben muss. Russlands Innenminister Raschid Nurgalijew jedenfalls bezeichnete das Geschehen als “Verrat an den Werten der Polizei”. Dass ein Häftling an einem rupturierten Darm stirbt, nachdem er mit einer Champagner-Flasche missbraucht wurde, das erscheint auch ihm schlicht unglaublich.  “Wie soll man einen solchen Verrat ahnden?”, fragt der einstige KGB-Agent und mittlerweile einer der engsten Kabinettsverbündeten von Wladimir Putin, völlig sprachlos in einer ersten Krisensitzung in Moskau nach dem ungeheuerlichen Todesfall. “Verrat – als nichts anderes muss die Tragödie von Kazan bezeichnet werden. Niemand hat das Recht einem anderen das wichtigste überhaupt zu nehmen – sein Leben”, lässt Nurgaliyev seiner Entrüstung freien Lauf. “Diejenigen, die die Interessen ihres Dienstes verraten und die Ehre ihrer Uniform beschmutzt haben, sind eine Schande, ebenso wie alle ihre Vorgesetzten, die solche Situationen innerhalb ihrer Teams zugelassen haben.”

Fünf Festnahmen in Zusammenhang mit Todesfall

In Anerkennung der Schwere der Tat haben die Behörden mit für Russland ungewöhnlicher Schnelligkeit reagiert. Gleichzeitig aber verhallen Rufe in Richtung Nurgaliyev höher rangige Beamte zu sanktionieren derzeit noch immer ungehört. Für ihn reicht es scheinbar aus, den Chef der entsprechenden Polizeistation in Kazan, Sergei Yefremov, zu entlassen. Der Polizeichef von Tatarstan, Asgat Safarov, erhielt hingegen lediglich einen Tadel.

Am vergangenen Mittwoch haben die Ermittler gegen vier Beamte der Polizeistation Dalny Anklage erhoben. Die Vier – alle Mitte 20 – wurde allesamt in Gewahrsam genommen, bestreiten jedoch laut Polizei vehement die ihnen zur Last gelegten Vorwürfe. Bereits Anfang der Woche war ein weiterer Kollege festgenommen worden. Er hatte seine Schuld voll und ganz eingestanden. “Es stellt sich die Frage, warum diese jungen Männer, die alle zwischen sechs Monaten und drei Jahren in der Polizeistation Dalny arbeiteten, solch einen unzivilisierten Akt begangen haben”, so Nurgaliyev weiter.

Führungsriege des Innenministeriums muss zurücktreten

Bisher hat die Polizei keine Einzelheiten des grausamen Verbrechens veröffentlicht. Doch Menschenrechtsaktivisten erklärten, dass Nazarov mit einer Champagner-Flasche vergewaltigt und anschließend an seinen Darm-Verletzungen gestorben sei. Auch der abgemahnte Polizeichef Asgat Safarov hat mittlerweile reagiert: Alle auf der betroffenen Polizeistation beschäftigten Beamten müssten sich einer neuerlichen Überprüfung sowie einem Lügendetektortest unterziehen. Vladimir Ovchinsky, ehemaliger Leiter des russischen Büros von Interpol, hat sich ebenfalls in den Fall eingeschaltet. Gegenüber einem russischen Radiosender forderte er wiederum den Rücktritt der gesamten Führungsriege des Innenministeriums, da sich sonst, seiner Meinung nach, das System selbst nicht ändere.

Die Tragödie vom Wochenende hat in der Zwischenzeit einen ganzen Rattenschwanz nach sich gezogen: Inwzischen wurden weitere Zwischenfälle auf der Polizeistation Dalny bekannt. Laut Dmitry Kolbasin, Leiter der überregional agierenden Organisation Agora, gibt es derzeit sieben weitere Beschwerden. Es scheint, als habe das Schweigen mit dem Tod von Nazarov endgültig ein Ende: An diesem Donnerstag fanden sogar Demonstrationen vor dem Polizeigebäude statt.

Namensänderung der Polizei hatte keine positiven Effekte

Das Verhalten der russischen Sicherheitskräfte gilt, neben Korruption und einer Eisernen-Faust-Taktik,  als eines der größten Probleme des Riesenlandes. Bereits 2009 ordnete der scheidende Präsident Dmitry Medvedev eine Umstrukturierung der Polizeikräfte an. Selbst der Name sollte von “Miliz” in “Politsia” geändert werden. Eine kürzlich durchgeführte Umfrage des unabhängigen Meinungsforschungsinstituts “Levada” brachte jedoch zutage, dass 72 Prozent der Bevölkerung nicht der Meinung sind, dass die Änderung des Namens positive Effekte nach sich gezogen habe. Und auch Wladimir Putin versprache während seines jüngsten Wahlkampfes gegen polizeiliche Repressionen vorzugehen und die Regierung mehr in die Pflicht zu nehmen, was jedoch als reines Zugeständnis an an seine Gegner gesehen wurde. Ob sich tatsächlich etwas ändern wird, bleibt also fraglich.

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